Mountainbiking auf Madeira

Als Radrennfahrer kannte ich immer nur Mallorca als Trainingsrevier im Frühjahr außerhalb Deutschlands. Bis meine Frau Martina im letzten Oktober auf die Idee kam, mit dem Mountainbike mal auf Madeira einige geführte Touren zu machen.  Aber Madeira? Wie sind dort die Gegebenheiten? Die Straßen, bzw. die Wege, die hauptsächlich mit dem MTB gefahren werden?

Wie heißt es doch immer so schön: „Stillstand ist der Tod“. Warum also nicht mal was anderes machen, als immer nur das Standard-Programm durchziehen und auf Malle Kilometer abspulen. Durch MTB-Videos auf YouTube und Bilder von verschiedenen Rad-Touren-Anbietern konnte man sich natürlich erste Eindrücke verschaffen, um nicht ganz aus allen Wolken zu fallen, wenn es dann ans „Klettern“ geht. Die Realität sieht aber (wie fast immer) anders aus.

So machten wir unseren ersten Aktiv-Urlaub in diesem für uns neuen Bereich klar und flogen am 11.4.2023 von Hannover direkt nach Funchal im Süden der uns komplett unbekannten Insel. Über einen Reiseveranstalter wurden die MTB-Touren inkl. Mieträder gebucht.

1. Bike-Tag

Da wir uns am Vortag beim Transfer vom Flughafen zum Hotel bereits ein kleines reales Bild von der Topographie der Insel machen konnten, ahnten wir, was uns erwarten würde. So fanden wir uns mit etwas flauem Gefühl morgens an der Bikestation von AlbanoAktiv in Canico de Baixo ein und wurden vom Chef persönlich in Empfang genommen. Nach kurzem Bike-Fitting wurden die Fullys in den Mini-Bus geladen und wir wurden allesamt von Fahrer Joao durch mehrere Orte, Tunnel und sehr kurvenreiche Straßen zu unserem Startort auf ca. 780 m Höhe gebracht.

Ich habe mich natürlich gefragt, warum wir erst mit dem Mini-Bus irgendwo hin gekarrt werden. Die Antwort ist sehr einfach: erstens wäre der Akku von Martinas E-Bike schon bei der Gipfelankunft leer gewesen und alle Teilnehmer ohne E-Antrieb wären fix und fertig gewesen, bevor die angenehmen Passagen beginnen.

Bei freundlichen 20 Grad in der Sonne ging es dann endlich los. Auf Schotter-Trails, die immer wieder gespickt waren von richtig steilen Passagen, wo man mit Gravelbike oder Cyclocrosser aufgeschmissen gewesen wäre, „kletterten“ wir auf 1140 m Höhe. In unserem Begleitheft konnten wir uns im Vorfeld über jede Tour informieren. Dabei fiel mir immer auf, dass die Gesamtkilometer mit max. 50 km (bei einer angepeilten Fahrzeit von ca. 4 Stunden) als recht wenig erschienen. Wenn man dann aber mit 6 km/h eine Stunde lang nur bergauf klettert, erkennt man schnell den Hintergrund.

Die einzigen flachen Passagen führen immer auf schmalen Pfaden entlang der Levadas (schmale, künstlich angelegte Wassergräben mit einem minimalen Gefälle), die sich über die gesamte Insel erstrecken.

Alleine würde man diese Strecken niemals finden, da alle Straßen und Dörfer zum Teil völlig verbaut und verschachtelt, aber dennoch irgendwie miteinander verbunden sind. Und genau deshalb macht es Sinn mit einem Guide zu fahren. In unserem Fall hatten wir mit Albano einen sehr angenehmen und lockeren Guide, der als Portugiese (Madeira gehört zu Portugal) im Schwabenländle aufgewachsen ist und deshalb beide Sprachen fließend spricht. Zwei Jahre hat es gedauert, alle Touren auszukundschaften und zu kombinieren, so Albano. So gab es immer wieder tolle Infos zur Insel und der Pflanzenwelt und auch sonst hatte Albano die eine oder andere nette Anekdote parat.

Über eine dieser Levadas fuhren wir in das Dorf Camacha und von dort auf der Straße nur noch bergab zurück zur Bikestation.

2. Bike-Tag

Heute empfing uns Marcos an der Bikestation. Marcos ist ein echter Madeirenser, der in der Hauptstadt Funchal groß geworden ist und jeden Weg auf der Insel kennt. Marcos, der es vorzog, lieber Englisch als Deutsch mit seinen Gästen zu sprechen, war für die nächsten 4 Tage unser Guide. Übrigens: Weltfussballer Cristiano Ronaldo ist auch in Funchal aufgewachsen und spielte mit 10 Jahren für Clube Desportivo Nacional Madeira. Er hat heute sein eigenes Museum in der Hauptstadt. Die Tour dieses Tages sollte auf die Nordseite nach Santana gehen, wo laut Marcos ein eigenes Klima herrscht. Während es auf der Südseite (wo wir unser Hotel hatten) fast immer sonnig ist, kann die Nordseite auch schon mal sehr wolkig und regnerisch sein. So war für heute leichter Regen angesagt.

Unser Fahrer Joao brachte uns in ein abgelegenes Waldstück in der Nähe von Faial, wo die Tour startete. Auch heute wurde wieder eine Mischung von gut asphaltierten Straßen und schotterigen Waldpassagen bis zum höchsten Punkt der Tour, dem Parque Florestal das Queimadas, erklommen. Ein schöner Park, der als Ausflugsziel für Familien und Wanderer zur Pause einlädt und für uns die Möglichkeit bot in einem kleinen Café einen Kaffee zu trinken. Leider wurde der angekündigte leichte Regen immer heftiger, sodass die Abfahrt auf der Straße zu einer Dusche mutierte. Hinzu kam ein etwas rutschiger und matschiger Weg entlang einer Levada, bis wir dann komplett durchnässt (Schutzbleche am MTB gibt es ja in der Regel nicht…) im Zentrum von Santana ankamen. Die ungewohnt kühlen Temperaturen und die bevorstehende rasante Abfahrt führte zu der Entscheidung, die Tour abzubrechen und uns von Joao wieder zur Bikestation zurückbringen zu lassen. Da wir am Ende der Tour ohnehin wieder mit dem Minibus zurückgebracht worden wären, war es somit kein Problem, da Joao bereits in der Nähe war. Nach einer heißen Dusche entschlossen wir uns zu einem kurzen Besuch in Hauptstadt Funchal, die von einem Linienbus stündlich angefahren wird.

3. Bike-Tag

Pico do Arieiro: Der dritthöchste Gipfel der Insel war das Ziel für diesen Tag. Da der Gipfel auf 1818 m liegt, wurden wir erstmal auf 1000 m gebracht, um von dort den Rest auf der Straße zu erklimmen. Mit dem Rennrad wäre es sicherlich nicht das große Thema gewesen, aber mit einem Fully, ohne jegliche Möglichkeit den Rahmendämpfer zu arretieren, eine neue Herausforderung. Alles schön im Sitzen, da im Wiegetritt jegliche Energie in einen wippenden Rahmen übergeht und der Vortrieb gleich Null ist. Martina hatte es da mit ihrem E-MTB etwas komfortabler. Die Tour war laut Ablaufplan mit 45 km und 4 Stunden angesetzt, was sich, wie schon am ersten Tag, komisch las. Aber auch hier ergab es wieder einen Sinn, nachdem wir für die ersten 10 km fast eine Stunde gebraucht haben, weil es nur steil bergauf ging. Der Ausblick von der Café-Terrasse entschädigte dann aber für die Quälerei.

Auf der Nordseite konnte man die Wolken in den Bergen hängen sehen, während wir oberhalb der Wolkenschicht bestes Sonnenwetter hatten. Nach einer kurzen Abfahrt auf der Straße bog Marcos auf einen Feldweg ein, der uns zu einem der dort bekanntesten Downhill-Trails führte, wo sich regelmäßig auch Einheimische treffen. Für uns als MTB-Neulinge kein leichtes Unterfangen, da sich einige Stellen als nicht fahrbar entpuppten. Hätte man diese Stellen gekannt hätte, wäre es sicherlich eine andere Situation gewesen, aber um Stürze zu vermeiden, sind wir kein Risiko eingegangen und lieber mal abgestiegen oder entsprechend langsam gefahren. Wie bei jeder Tour durften auch hier gemäßigte Schotterpassagen und Levada-Wege nicht fehlen. Die Tour endete wieder in der Bikestation, von der wir immer ca. 10 Minuten zu Fuß bis zum Hotel hatten.

Day Off

Da der Samstag auch für Marcos ein freier Tag war, hatten wir die Gelegenheit bei bestem Wetter mit dem Bus wieder nach Funchal zu fahren. Allein die Busfahrt ist schon ein Erlebnis: 45 Minuten durch die schmalen Straßen und Dörfer der Südküste, entlang an steilen Abhängen auf der einen Seite und vorstehenden Felsvorsprüngen auf der anderen. Inklusive der parkenden Autos, die man in Deutschland sofort abschleppen würde. Aber wie immer südlichen Ländern, ist für die Busfahrer normal, wo wir Schnappatmung bekommen. In Funchal angekommen, ging es gleich zur Seilbahnstation, die uns zum tropischen Garten auf 560 m brachte. Ein seltsames Gefühl, mit einer Seilbahn zu fahren, die wir sonst in dieser Bauweise nur aus den Skigebieten der Alpen kennen und dort nur mit Skiausrüstung besteigen.

Oben angekommen erwartete uns ein toller Garten, der wahrscheinlich alle Pflanzen der Insel beherbergt, die wir auch schon auf unseren Touren in der freien Wildbahn gesehen hatten, aber nicht so geballt.

Da sich die berühmte Bergstation der Korbschlitten gleich neben dem Park befand, war somit die Abfahrt ins Tal geklärt. Die Tradition der Korbschlittenfahrt geht bis ins Jahr 1850 zurück und bis heute werden diese Schlitten auf Holzkufen von zwei „Carreiros“ auf glattgeschliffenem Asphalt mehr oder weniger „gelenkt“. Da die Schlitten nur etwa 2 km bergab fahren, muss der restliche Weg bis in die Stadt zu Fuß oder mit dem Taxi zurückgelegt werden. Wir hatten uns bei sommerlichen 27 Grad für den Fußweg entschieden. Nach einem Stadtrundgang durch urige Gassen und die Markthalle ging es am späten Nachmittag mit dem „Erlebnis-Bus“ wieder zurück ins beschauliche Canico de Baixo.

4. Bike-Tag

Nach der recht anspruchsvollen Tour am Freitag, sollte der Anspruch laut unserem Touren-Heftchen heute geringer sein. Da wir zwei weitere Biker mit dabei hatten, verging die Zeit durch Gespräche und die eine oder andere kleine Wartepause wie im Flug. Die heutigen Trails und Downhill-Passagen waren gut zu fahren, das Wetter wieder sonnig und warm. Mit gefühlt glühenden und hörbar voll ausgelasteten Bremsen ging es zum Schluss auf der Straße wieder bergab bis zur Bikestation.

5. Bike-Tag

Der letzte Tag startete wieder in den Bergen bei Terreiro da Luta, wo uns Fahrer Joao absetzte. Marcos warnte uns mit dem Satz dass nun der „never ending climb“ bevorstehen würde, vor. Uns so ging es dann nach wenigen flachen Metern in den „climb“, der das heftigste und steilste war, was wir je mit dem Bike gefahren sind. Dagegen sind der Anstieg zum Sant Salvador und Randa auf Mallorca eher eine Flachetappe. Dass Madeira die „Insel der Kletterer“ ist, hatten wir nun schon ausgiebig erfahren dürfen, aber das hatte neue Qualitäten. Zum Glück war ein Teil des Weges zum Montado do Pereiro ein gut ausgebauter Feldweg. Als wir dann endlich am höchsten Punkt der Tour ankamen, war vor uns wieder der Pico do Arieiro zu sehen, wo wir bereits am Freitag waren. Da sich auf Madeira aber alle Wege irgendwie kombinieren lassen, ging es von dort abwechselnd über Trails und Straßen wieder abwärts zur schönen „Levada da Serrado Faial“, die wir auch am Sonntag durchfahren haben. Wir hätten diese Levada wahrscheinlich endlos weiterfahren können, aber irgendwo musste Marcos dann leider auf die Straße abbiegen, um den Weg in Richtung Bikestation anzutreten. Dort mussten wir schweren Herzens unsere Bikes abgeben und uns verabschieden.

Eine tolle neue Erfahrung, mal mit dem MTB ein quasi Mini-Trainingslager zu absolvieren und dabei etwas Sightseeing zu betreiben. Aufgrund der Topographie eine ganz neue Herausforderung. Kilometerlanges Flachfahren wie auf Mallorca gibt es hier definitiv nicht. Wir werden bald wiederkommen, um dann weitere Touren abzufahren, die wir während unserer 5 Bike-Tage nicht geschafft hätten.

Burkhard Becker

Mit freundlicher Genehmigung der Leine-Deister-Zeitung

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